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Wednesday, 28. June 2006
On Bullshit. — Prof. Harry Gordon Frankfurt schreibt über gesprochenen und wörtlich gedruckten Bullshit. Das ist nur die halbe Wahrheit. Der visuelle Bullshit, in dem wir täglich baden, stinkt noch viel mehr. In der deutschen Ausgabe des Traktätchens selbst sieht Prof. Gerd Fleischmann Bullshit. — Kühlt, erfrischt und hält wach!
dieter
06:42h
Bullshit? — Als Buch, als körperliches Objekt, das wir mit Hand und Auge wahrnehmen, ist das kleine Artefakt (oder sollte ich ›Machwerk‹ schreiben?) sicher genau das, was Frankfurt so nennt: »[Die] Aussage gründet weder in der Überzeugung, dass sie wahr sei, noch in dem Glauben, dass sie falsch sei, wie es für eine Lüge erforderlich wäre. Gerade in dieser fehlenden Verbindung zur Wahrheit – in dieser Gleichgültigkeit gegenüber der Frage, wie die Dinge wirklich sind – liegt meines Erachtens das Wesen des Bullshits.« Der erste Eindruck ist ernüchternd, als ich das Büchlein sehe und in die Hand nehme: Schlechte Proportion, überzogener Auftritt in Leinen, ein Leichtgewicht, das der vornehm dunkelroten Aura nicht standhält. Innen ist der Text großspurig auf den dadurch noch kleiner wirkenden Seiten verteilt. Ich habe das Gefühl, da macht mir einer mächtig was vor – verstehe ich das richtig: Bullshit? Zurück zur Form. So wie es in der verbalen Kommunikation, auf die sich Frankfurt im Wesentlichen bezieht, Bullshit gibt, gibt es das auch in der visuellen Kommunikation – auch in typografischen Arbeiten, zu denen das Buch gehört. Vor allem aber in der Werbung, in der Bullshit Prinzip ist, da immer etwas angeboten werden muss, was wir nicht brauchen. »Auf dem Gebiet der Werbung und der Public Relations und dem heutzutage eng damit verbundenen Gebiet der Politik finden sich zahllose eindeutige Fälle von Bullshit, die als unbestreitbare und sogar klassische Beispiele dieses Genres gelten können.« Die Augen sehen anders als das Typomaß. — Ist schon 5 : 8 (1 : 1,600) eine schlechte Näherung an den Goldenen Schnitt, so »fällt [es] schwer, dies noch von der Proportion 2 : 3 zu behaupten«, wie Jan Tschichold in seinem Aufsatz ›Willkürfreie Maßverhältnisse der Buchseite und des Satzspiegels‹ schreibt. Zunehmend genauere Näherungen lassen sich aus der Fibonacci-Folge 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, ... ablesen, die nichts Anderes als den Goldenen Schnitt, die Stetige Teilung, darstellt: Jede Zahl ist die Summe der beiden vorausgehenden und verhält sich zur jeweils vorausgehenden annähernd so wie die folgende zu ihr selbst – die Näherung ist umso besser, je größer die Zahlen sind. In der Sprache der Geometrie bedeutet das: Ist eine Strecke im Goldenen Schnitt geteilt, so verhält sich der größere Abschnitt zum kleineren wie die gesamte Strecke zum größeren. Der klassische Satzspiegel eines Buches ist immer so angelegt, dass der Kopfsteg, der Raum oberhalb des Textblocks, deutlich schmaler ist als der Fußsteg, und auch schmaler als die Randstege außen. In Bullshit sitzt der Text auf der Seite wie die Rappermode bei den Kids, der Schritt auf Höhe der Knie. Ein typografisches Gegenbeispiel zu Bullshit ist die elegante Broschur von Robert Bringhurst: The Solid Form of Language. An Essay on Writing and Meaning. Kentville: Gasperau Press, 2004. Der Text über geschriebene und gedruckte Sprache im Gegensatz oder auch Verhältnis zur gesprochenen ist in radikalem Flattersatz gesetzt, ohne jegliche Trennung. Das geht einfacher im Englischen als im Deutschen, weil die Wörter in der Regel kürzer sind und dadurch nicht allzu große Löcher am Zeilenende entstehen. Der strukturierte Karton-Schutzumschlag mit Schöpfrand vorne und glattem Schnitt hinten und verhuschten Schriftzeichen (auch auf dem schwarzen Kartonumschlag) allerdings ist übertrieben kunstgewerblich. Schrift wird hier zu Tapete. Die romantische Ironie von Frankfurt im letzten Satz des Traktats teile ich nicht. Ich halte sie für Koketterie, reif für die Talkshow. Wäre Aufrichtigkeit Bullshit – welche Bedeutung, welche Funktion sollen Wörter, soll Sprache dann überhaupt noch haben? So schwierig ist die Sache offenbar doch nicht. ... Link Wednesday, 21. June 2006
Bizzy Thoughts! — Bullshit ist überall, wo Menschen, jemanden manipulieren, eine Wahl gewinnen oder ein Produkt verkaufen wollen. Insofern sind Regierungen, PR-Firmen, Werbeagenturen, Talkshows und wohl auch Redaktionen wahre Brutstätten des Bekloppten geworden. — Lifte nicht zu vergessen!
dieter
07:45h
Bullshit kann sehr kreativ sein. — Bullshit kann Spaß machen und Neues in die Welt bringen. Es gibt so genannte bullsessions: Man kann dabei einfach Ideen ausprobieren, ohne gleich an konkrete Ergebnisse zu denken — und alle wissen, dass sie nicht die Wahrheit sagen, sondern nur Bullshit. [...] Und man kann sogar etwas über sich selbst erfahren durch Bullshit: indem man ohne Angst und Zwang und frei heraus über sich spricht. — Harry G. Frankfurt in: DIE ZEIT, Nr, 9, 2006 Mist bleibt sein bester Dünger! ... Link Wednesday, 14. June 2006
Smart Junctions! — Ein überfälliges privates Statement zum Thema Freunde und meine Unfähigkeit, jene zu erkennen. Amici esplicitamente non graditi. Handheld versus Entfaszination einer möglicherweise schillernden Persönlichkeit. — May any Exception be with you!
dieter
05:25h
Sie müssen mich also nicht mögen, ... Link Wednesday, 7. June 2006
Major Changes Happening! — Inside Outside als improvisierte Erbübergabe von Generation zu Protein. Über die kulturelle Deutung von medialen Darstellungsformen als Vergangenheitsentlastung. Ornamente als Orte der »höheren« Wesensbildung. — Landström auf Stadtsprung.
dieter
07:07h
Die Orte für die Aufbewahrung und Weitergabe von Wissen sind deshalb von außerordentlicher Wichtigkeit, da die Perspektiven und fundamentale Repräsentation fest verankert werden sollen. Somit sind die von ihren Carbonaten erlösten Transparenzen ein fast schwereloses Konzept der Seele etwas Paratechnisches zu vermitteln. Die naturwissenschaftliche Utopie mit seiner gut durchbluteten Gehirnfunktion als Speichermedium zum Denken zu animieren, bleibt eine der konzentriertesten Wunschsymbiosen des Menschen in seiner Ablenkung vom Denken selbst. Die Faszination, eine möglicherweise nützliche Dimension zu gestalten, vergisst dahinter seine dualistischen Konzepte: Waren es einst noch Körper und Geist, Hirn und Herz, so sind das heute Stabilität und Realität. Die Visualisierung der sich alternierenden Konstruktionen legen das Augenmerk vorwiegend auf die Einprägungskraft der Inhalte, die dann in einer Art Konserve neue Sichtbarkeiten zumindest als Depot aufzeigen sollten. Die extrem unterschiedlichen Rezeptionsweisen von Mythen, Bildern und Kulturen machen schnell klar, dass die formalen Aneignungen den entscheidenden Inhalten nicht folgen. Zwischen Fiktion und fixierter Geschichte in ihrer gelebten Zeit- und Erfahrungskomponente kommen bestenfalls defragmentierte Splitter zu Tage. Das Unterscheiden von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist heute also eine visuelle und ständig neu zu stiftende Illusion. Auch wenn Individualität als Errungenschaft und Bildungstechnik die beste Trennung von persönlichem Ort und sozialem Erfahrungsterrain bilden sollte, bleibt dies sein sich selbst soziologisch immer weniger reflektierender Zyklus. Der Index für Authentizität braucht seine leicht merk- und lernbaren Spuren für den gesunden Alterungsprozeß. Ob als Ikon oder als ihm ähnlichen Film unterliegen alle Eckpunkte einem optischen, also bildhaften Kriterum als Referenzobjekt im Produktionsablauf. Die Fotografie gab ja beispielhaft vor, Gemälde und Skulptur in einer toten Maske zu mystifizieren. Jeder auch noch so experimentelle Abdruck bedeutet in seiner Hinwendung aber nur die Radikalisierung eines Paradigmas, das sich selbst auf die Spitze treibt. Was ein Filmstreifen immer noch nicht kann, verwischen die Spuren des Vergehens der Patina selbst. Aus vielen Gründen gilt indexikalischer Zeichengebrauch deshalb heute als genetisch primitiver Prozess. Das enge Ineinander von Gedächtnis und Material sehe ich deshalb auch als einen Rückgriff auf physische, bildfremde Materialen, da diese dem Authentizitätsversprechen nicht gerecht werden müssen. Die Reaktion auf das Verschwinden einer Art sinnlicher Evidenz aus den politischen und gesellschaftlichen Erfahrungen bilden Produktionstechniken, die mich stark an die Pionierzeit von Fotografie und Film erinnern, aber die Bedeutung des Gedächtnisses schlechthin hervorstreichen. Die signifikante Relation von hybrid erzeugten Bildern und die damit verbundene Sprache beziehen sich heute auf einen radikalen Typ Mensch, der in seiner Sprache und Form selbst Schiedsrichter spielen will. Die Motiviertheit bzw. die Natürlichkeit der Auffassungsgabe und das damit verbundene komplementäre Prinzip abstrahieren konventionelle Zeichen mit der Fähigkeit, soziale Gedanken verbinden zu können. Das digitale Universum verspricht deshalb einen Ausweg, weil die Verdichtung von verbindlichen Signifikanzen eine Kontinuität andeutet. Diese Form an Kongruenz und technizistisch anmutenden Bildern gewährt einen Blick in die Struktur der Erschaffung von Netzen. Räumlich präsentiert sich das Ideal ja als Stimulanz für Vergangenheit und Zukunft zu gleichen Teilen. In sozialer Hinsicht streckt die Verheißung, ein anti-hierarchisches Prinzip in einem zugänglichen Medium zu nutzen, endlich eine Art basisdemokratische Hand entgegen. Das prinzipielle Misstrauen gegenüber sprachlicher Beliebigkeit liegt ja vorwiegend in seiner relevanten gesellschaftlichen Vermittlung- bzw. in der möglichen Verzerrung von gelebter und faktischer Geschichte. Ob nun verlorenes Paradies oder die visuelle Neugier als Lust an seine im Zaum gehaltene Erinnerung, stellt einen erstaunlich subjektiven Blick auf Themen die mit der Lupe oder durch das Schlüsselloch ihren eigentlich charmanten Erziehungsspielraum völlig verloren haben. Die aktuellen Darstellungsformen von demaskierenden Zur-Schau-Stellungen kommen, für mein Empfinden, der Form einer Zypresse ziemlich nahe. Spezifische Erinnerungsqualitäten tragen aber sowohl reale Körper als auch photokinetische Prozesse. Mit dem Übergang der visuellen Zunft in ihr digitales Versprechen ändern wir nur die Bewegung des Verhältnisses zu seinen omnipotenten Löschvorgängen. Vorsicht! ... Link ... Next page
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