Reteid Resflet*24 Open Sources 7.3
Sunday, 12. September 2004
Glauben Sie es sich? Niemand ist mehr, wie es ist, geschweige denn, wie es einmal war und/oder gar nicht mehr werden kann. Warum wir uns nichts mehr glauben, alles prüfen müssen und ergründen, ohne das meiste je wirklich wissen zu brauchen. Über die Lügen, die wir uns verkaufen, um unsere seelischen und inneren Systeme authentisch zu erhalten. Bohnermethoden für Parketttypen, die es nie gab.

Was man sich selbst glauben mag, ist eine der subjektivsten, aber doch gefestigtsten Vorstellungsmechanismen, die jeder Mensch für sein Überleben im System zu benötigen scheint. Das alles Subjektive auch einer individuellen Wahrnehmung unterliegt, bedingt eine bestimmte Unsachlichkeit und Voreingenommenheit, die mit situationsbezogenen Gefühlen und Interessensvorteilen zu tun hat. Wer uns dabei lenkt, hängt oft von unserer visuell-aspirativen Umgebung ab.

Wenn ich mir die Entwicklung der geistigen wie auch religiösen Begleitinstitutionen in den letzten zehn Jahren anschaue, stelle ich nur absolut, Absolutes fest. Jede der bis in die Einzelheiten verwurzelten Institutionen hegt ein Angebot der Vielfalt , das mehr Klarheit für individuelle Systeme bieten soll. Dass das Abgeben von geistig überschüssigem Gut in einen persönlichen oder gar universell geglaubten Glauben als Institution hilft, lasse ich mal dahingestellt. Es ist jedoch unübersehbar, dass religiöse Technik sich mit sozialen Systemen nicht so einfach verbinden lässt. Spätestens seit Buddhisten Bücher schreiben müssen, Scientologen sich selbst werten, Hugenotten weniger singen, Katholiken Ihren Weg zu verlieren scheinen und Moslems dazu Krieg machen, haben jene esoterischen Zweige, die wir kaufen können, ein viel leichteres Pflaster in den geistigen Netzwerken dieser Erde. Ist es persönlich noch eine eigenständige Person zu sein? Ist das Nicht-Glauben nur deshalb atheistisch weil die Realität der Atheisten nur ihr alleiniger Glaube sein darf?

Warum wissen wir soviel über uns und das, was wir zu unserem Überleben brauchen, wenn wir jene bewusst verankerten Instrumente faktisch gar nicht mehr nützen. Die Welt scheint ein Friseursalon ohne Farbstabilisatoren geworden. Wer seine Farbe ändert, erneurt sich mit Tönungen so lange rund, bis die zuvor eingesetzte Farbchemie eben nachlässt. Der Rest wird geschnitten oder eben neu und intensiver eingefärbt. Sogar das Volumen kommt aus der Dose und facettiert Backenknochen mit Kieferbreite zu einem wunderbar geschlechtstauglichen Gesichtsdreieck.

Derweil trennen wir mit Real und Virtuell alles was Bluetooth noch nicht als System bietet. Wenn man berücksichtigt, was uns der drahtlose Wunsch in unseren Geräten vorgaukelt, ist es ein Leichtes, uns auf die geistige Unverbindlichkeit der auf uns zukommenden Jahre einzustellen. Ich finde es teilweise jetzt schon erschreckend wie viel Papier und Verbindlichkeiten es in der heutigen Zeit braucht, nur um banale Lebensvorgänge abzuwickeln bzw. überhaupt zu handeln. Wenn das »Miracle« ein zu mimendes »Oracle« werden wird, brauchen wir wohl noch einiges an visueller Verfremdung und Zwangsrichtlinien, um zumindest eine gewisse Spannung am Leben selbst zu erhalten. Das alles »immer schlimmer« wird, ist nur ein Versuch der Wertung in der längst eingetretenen Werteuntauglichkeit selbst.

Da wir mit allen Mitteln und Medien eine ständige Wiederholung der Geschichte verhindern wollen, und uns mehr auf die musikalische und modische Wiederverwertung spezialisiert haben, dürften wir so langsam an den Punkt gekommen sein, an dem die Mischung aus Sechzigern und Achtzigern nur zu den Zwanzigern führen kann, die wir in Ihren Werten nicht mehr halten können. Von dort geht es über archetypische Modelle zum Sprung über die Jahrtausende und in die ach so humanistisch gezeichnete Zukunft. »Mehr Mensch für weniger Geld« könnte die Zusammenfassung hierfür lauten und das hat so gar nichts mit dem Urinstinkt in uns zu tun. Trotz allem bekommt sogar die Pornoindustrie einen erheblichen Status-Definitions-Faktor in unserer Gesellschaft, denn wer kann, der kann auch! Ob bei den schlendernden Extasetechniken auch noch das Fünkchen Spontaneität, tantrisch verstanden als TAN, was Weite, Totalität, Vollkommenheit verspricht, zur Geltung kommt, müssen wir wohl den Regisseuren jener zu trainierenden Drüsen überlassen.

Wie erhalten wir jenes Leben, welches wir mit unserem persönlichen Begriff von Ego und Alter Ego irgendwie in Einklang bringen müssen? Wir leben jenen Begriff und tun das glaube ich bewusster, als uns das bewusst ist. Ich selbst, der ich gerne in die Ecke der Egozentriker, Schillerlinge und Flatterwesen gestellt werde, konnte viel Erfahrung mit authentifizierenden Lebensmodellen sammeln. Nach wie vor müssen Egozentriker so lange schillern, bis sie zur hysterischen Geburt kommen. Daran hat sich nichts geändert, jedoch an den Niederkunftsformen. Ein starkes Ego in der heutigen Definition verschmäht sämtliche Absonderlichkeiten und will auf einem klaren Weg mit einem klaren Plan zu einem eindeutigen Ziel. Wer also seinen starken und klaren Weg geht, wird nicht schöner blühen, sondern omnipotent werden und andere in sein System einladen, um mehrere Ziele gemeinsam zu verfolgen. Damit verbieten wir uns unsere Vielfalt in den meisten Fällen selbst, da Stärke in seiner Konsistenz der vollkommenen Vielfalt eben zu unterliegen scheint.

Das Spannende dabei bleibt die Möglichkeit, alle Vorgänge in ihren vielfältigen Verästlungen beobachten zu können. Wir geben uns selbst das Gefühl der Macht und des Könnens, indem wir alles virtuell nachlesen, manchmal programmieren und in den meisten Fällen einfach nur abrufen. Musterverhalten in der Psychologie weisen auf fatales Wiederholverhalten hin und zupfen an Erlösungsgedanken von einem Weltschmerz, den wir nur mehr neuronal und nicht real wahrnehmen können. Wir trainieren sogar die Wahrnehmung über diätistische Konzepte, damit uns an Wahrheitsmodellen ja nichts entgehen kann.

Es ist nicht alles Grau was Schwarz daherkommt und nach Farbkontrasten sucht. Mut als Zivilcouragemodell äußert sich nicht nur in Stoffgeweben, sondern vorwiegend in Messvorgängen sozialer Natur. Doch auch damit werden kaum neue Werte, als viel mehr neue Messlatten geschaffen. Die Welt als Sportplatz für mehr Kreislauf und weniger Venenprobleme. Der Turnschuh als Überbrücker zu mehr Straßentauglichkeit. Das Gesicht als Wegbereiter zu mehr Körperkultur. Weniger Spannung für mehr Einheitlichkeit, um uns das System verständlicher, einfacher und nutzbarer zu gestalten.

Gelb hilft!
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© Dieter Telfser 2004

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